Hände auf Kieselsteinen

Ergotherapie bei Demenzerkrankung

Oft wird die Wirksamkeit von Ergotherapie bei demenziellen Erkrankungen in Frage gestellt – insbesondere im fortgeschrittenen Stadium. Es gibt heute Studien zu dieser Arbeit wie zum Beispiel ERGODEM (Effektivität einer optimierten Ergotherapie bei Demenz) der Uni Dresden oder die WHEDA-Studie der Uniklinik Freiburg. Diese Studien zeigen, dass es nachweisbar positive Wirkungen und Erfolge in der Behandlung demenzieller Erkrankungen durch Ergotherapie gibt.

Ergotherapie unterstützt und begleitet Menschen jeden Alters, die in ihrer Handlungsfähigkeit eingeschränkt oder von Einschränkung bedroht sind.

Die ergotherapeutische Arbeit erfordert Flexibilität sowie die ständige Analyse der Situation und des Erlebens des kranken Menschen. Daraus resultiert dann eine individuelle Anpassung und Ausrichtung des therapeutischen Vorgehens. Hierbei dienen ausgewählte Handlungen, Mittel und Methoden sowie Umweltanpassung und Beratung dazu, dem Menschen möglichst viel Handlungsfähigkeit im Alltag und gesellschaftliche Teilhabe zu ermöglichen. Ziel ist der Erhalt und die Verbesserung der Lebensqualität. Ergotherapie ist ein „medizinisches Heilmittel“ und wird bei gesundheitlich beeinträchtigten Menschen vom Arzt verordnet oder im vollstationären Bereich über die Träger der Einrichtungen angeboten.

Ergotherapie kann in Ergotherapie-Praxen oder durch ambulante ErgotherapeutInnen in der Häuslichkeit durchgeführt werden. Dies ist häufig bei beginnender Erkrankung die eigene Wohnung. Ambulante ErgotherapeutInnen behandeln aber auch Menschen in Pflegeheimen oder Wohngemeinschaften. Oft sind ErgotherapeutInnen in diesen Einrichtungen angestellt, um direkt vor Ort zu behandeln. Dabei wird überwiegend Gruppenarbeit angeboten, seltener eine Einzeltherapie. Oft ist aber eine zusätzliche ambulante Einzeltherapie sinnvoll. Auch Reha-Einrichtungen, geriatrische oder neurologische Kliniken sehen sich zunehmend mit der Problematik der demenziellen Erkrankung konfrontiert. Auch hier werden ErgotherapeutInnen zur Behandlung dieser Patienten erfolgreich eingesetzt.

Wichtig ist, dass ergotherapeutische Behandlungsmethoden für jedes Stadium der demenziellen Erkrankung angeboten werden – von der beginnenden Erkrankung bis hin zur schwersten Form der Immobilität.

Die Körperwahrnehmung ist eine der wichtigsten, elementaren Fähigkeiten des Menschen, um zu existieren und zu überleben. Sie ist nicht nur die Grundlage für die Entwicklung seiner kognitiven und emotionalen Fähigkeiten, sondern auch für den ergotherapeutischen Ansatz bei der Behandlung demenziell erkrankter Menschen. Körperwahrnehmung entsteht aus dem Zusammenspiel der Aufnahme von Reizen aus Umwelt und Körper und ihrer Verarbeitung im Gehirn.

Durch schwere neurologische Störungen kommt es bei fast allen zerebralen Erkrankungen zu Einbußen in diesem Bereich – auch bei fortschreitender demenzieller Erkrankung. Solche Einbußen können langfristig zu schwerer Immobilität führen. Sinnesreize sind die Grundlage für das Funktionieren sämtlicher neurophysiologischer Prozesse.

Die gezielte dosierte Reizsetzung auf den verschiedenen Ebenen der Sinnes-wahrnehmung und deren Steuerung sind die Basis der ergotherapeutischen Behandlung bei Demenz Erkrankungen. Die Reizsetzung kann bei allen Sinnen erfolgen: beim Gleichgewichtssinn, Lage- und Bewegungssinn, Tast- und Berührungssinn, Sehsinn, Hörsinn, Geruchssinn bis hin zum Geschmackssinn und Eingeweidesinn. Dies empfiehlt sich auch im Umgang mit demenziell erkrankten Menschen mit herausforderndem Verhalten. Dafür ist umfangreiches Fachwissen aus den Bereichen Neurologie, Pädiatrie, Psychiatrie, Orthopädie und Innere Medizin erforderlich.

Um die Körperinformation zu verbessern, bedient sich der ergotherapeutische Ansatz verschiedener Methoden, um Reize gezielt einzusetzen oder zu verstärken. Ein zentraler Bereich sind Informationen über die Hände. Man erkennt die Bedeutung der Hände daran, dass ihre „Abbildung“ auf der Gehirnrinde einen besonders großen Raum einnimmt. In der Therapie werden viele Bewegungen genutzt, die den Einsatz der Hände fordern, bei denen die Koordination der Hände erforderlich ist und bei denen man sich zugleich durch die Berührung spürt, wie z. B. beim Klatschen. Auch der Mundbereich gibt zahlreiche Körperinformationen. So nehmen viele Menschen bei zunehmender demenzieller Erkrankung häufig Dinge in den Mund.

  • Alltagshandlungen
  • Kreatives Tun
  • Spiel
  • Musik
  • Alle Arten von Bewegung, insbesondere das „Begreifen“
  • sportliche Aktivitäten wie z.B. Schwimmen, Radfahren.

Folgende ergotherapeutische Methoden sind bei der Arbeit mit demenziell Erkrankten üblich:

  • Sensorische Integrationstherapie
  • Basale Stimulation
  • Führen nach Affolter
  • Bobath-Konzept
  • Kinästhetik.

Alle Konzepte haben den gleichen Ursprung. Da Wahrnehmung sehr vielschichtig ist, gibt es so unterschiedliche Behandlungsansätze. Die Methoden wurden für andere Erkrankungen entwickelt, deshalb müssen sie in der Behandlung demenziell Erkrankter abgewandelt werden.

Konkrete Ziele ergeben sich aus dem Krankheitsstadium, in dem sich der betroffene Mensch befindet.
Ziele bei beginnender Erkrankung:

  1. Die noch vorhandenen kognitiven Fähigkeiten sollen möglichst lange erhalten und eingesetzt werden (nicht überfordern, Negativerlebnisse vermeiden).
  2. Das Langzeitgedächtnis wird durch Biographie- und Erinnerungsarbeit stabilisiert (Kurzzeitgedächtnis wird schnell beeinträchtigt).
  3. Die Orientierung wird gestützt.
  4. Die Stimmung wird positiv beeinflusst.
  5. Die Körperwahrnehmung wird vorbeugend stabilisiert.

Ziele für das fortgeschrittene Stadium:

  1. Das wichtigste Ziel ist die Erhaltung und Förderung der Körperwahrnehmung. Das heißt: Der demenziell Erkrankte soll sich möglichst lange noch selbst spüren.
  2. Unruhe und Ängste werden abgebaut.
  3. Herausforderndes Verhalten soll positiv beeinflusst werden.
  4. Der drohenden Gelenkversteifung, vor allem an Händen und Armen, wird aktiv vorgebeugt (Kontrakturprophylaxe).
  5. Stürzen soll vorgebeugt werden (Sturzprophylaxe).
  6. Positive Beeinflussung von Essstörungen und Problemen bei der Nahrungsaufnahme.
  7. Der hohe Muskeltonus soll gesenkt werden.
  8. Die Sprache wird angeregt, z.B. durch rhythmisches Sprechen.
  9. Aufmerksamkeit und Konzentrationsfähigkeit werden verbessert.
  10. Verbesserung und Erhalt sowie intensive Förderung noch vorhandener Kommunikationspotentiale.
  11. Positive Beeinflussung des Sozialverhaltens.